Das neue Gesetz über Unternehmenskrisen als „Offene Baustelle“

Die Reform
Ein neues Gesetz über Unternehmenskrisen hat die diesbezüglich auf GmbHs anwendbaren Regeln maßgeblich verändert. Unter anderem wurde die Haftung der Geschäftsführung verschärft.

Internes Kontrollorgan
Auch die Voraussetzungen zur zwingenden Ernennung eines internen Kontrollorgans wurden angepasst. Demnach bedarf es einer solchen Kontrollinstanz nun immer dann, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die Aktiva oder der Umsatz vier Mio Euro übersteigen oder im Schnitt 20 Mitarbeiter beschäftigt sind. Diese Schwellenwerte wurden im Zuge der Reform zunächst drastisch abgesenkt, angesichts heftiger Kritik dann aber teilweise wieder angehoben. „Early adopters“, also Gesellschaften, die bereits ein Kontrollorgan installiert haben, obwohl dieses aufgrund aktuellen Werte nicht mehr notwendig ist, können eine gerichtliche Abberufung dieses Organs einleiten.

Zudem wurden die Aufgaben des Kontrollorgans erweitert: Nach Anzeige seitens des Kontrollorgans über “begründete Anzeichen” einer Unternehmenskrise hat die Geschäftsführung diesem Organ innerhalb von 30 Tagen Bericht zu erstatten. Der Report muss auf Lösungsvorschläge und bereits ergriffene Maßnahmen zur Beseitigung der Krise Bezug nehmen. Wenn die Geschäftsführung nicht oder nur unzureichend aktiv wird, hat das Kontrollorgan die Krise dem staatlichen “Krisenbeilegungsorgan” anzuzeigen. Damit werden Verhandlungen des Unternehmens mit seinen Gläubigern in Gang gesetzt.

Krisen-Frühindikatoren
Ein Entwurf der Frühindikatoren liegt seit September vor. Der wichtigste Indikator ist die „debt service coverage ratio“ (DSCR), d.h. das Verhältnis zwischen der Höhe der Verbindlichkeiten des Unternehmens und den für deren Bedienung aufzuwendenden Mitteln über einen Beobachtungszeitraum von sechs Monaten. Auch ein Verzug mit vereinbarten Zahlungszielen ist zu berücksichtigen.

Sofern die DSCR nicht bestimmt werden kann, sind in einer Gesamtschau fünf andere Indikatoren heranzuziehen: Die Tragbarkeit der finanziellen Belastungen, die Bewertung des Cash Flow und die Höhe der Verbindlichkeiten für Sozialleistungen und Steuern.

Bewertung der Reform
Das neue Krisengesetzbuch lässt spürbare Änderungen in der Unternehmensführung erwarten. Die firmeninterne Organisations- und Finanzstruktur bedarf nämlich künftig einer laufenden Angemessenheitskontrolle. Dass es dazu noch keine konsolidierte Praxis gibt, macht die Sache ebenso herausfordernd wie laufende gesetzliche Änderungen.

Die Einführung von Frühwarnsystemen birgt zudem das Risiko falscher „Krankmeldungen“. Im Wege einer „self-fulfilling prophecy“ könnten an sich gesunde Unternehmen durch das Auslösen der Krisen(beseitigungs)-mechanismen nämlich erst in die eigentliche Krise geraten. Dies etwa dann, wenn sich Geschäftsbeziehungen zu Gläubigern oder finanzierenden Banken aufgrund des Krisen-Instrumentariums verschlechtern.

Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Reform tatsächlich auswirkt: Kommt es zu einer Änderung der Unternehmenskultur oder doch zu vermehrten unternehmerischen Krisen?

Autorin: Valentina Montanari