Österreich: Die Zulässigkeit der Prüfung privater Mails im Firmenaccount

Im gegenständlichen Verfahren zu 6 ObA 1/22y hatte der OGH erstmals zu beurteilen, ob das Lesen eines privaten E-Mail-Verlaufes zwischen zwei Mitarbeiterinnen diese zu Ersatzansprüchen berechtigt oder nicht.

Ausgangssachverhalt: Private Mails im Firmenaccount - ist die Prüfung zulässig?

Im gegenständlich vom OGH zu beurteilenden Fall wurde zunächst das Dienstverhältnis mit der Zweitklägerin einvernehmlich aufgelöst. Am Tag nach der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses nahm der Geschäftsführer Einsicht in den betrieblichen E-Mail-Account der Zweitklägerin. Dabei erlangte er Kenntnis davon, dass die Erstklägerin, ebenfalls Dienstnehmerin der beklagten Partei, an die Zweitklägerin geschrieben hatte, der Dienstgeber sei ein „Idiotenhaufen“, es sei „zum Durchdrehen“, alle seien unfähig, sie werde „net viel machen“ und sie schreibe gerade Bewerbungen. Der Geschäftsführer sprach daraufhin unter Hinweis auf diese Nachrichten die Kündigung gegenüber der Erstklägerin aus. Eine Kopie der Nachricht übermittelte der Geschäftsführer auch an dessen Gattin, die im Unternehmen mit Personalangelegenheiten befasst war. Den Klägerinnen war die Angelegenheit sehr peinlich.

Den Klägerinnen war jedoch aus eigener Erfahrung mit Vorgängerinnen bekannt, dass in die E-Mail-Accounts Einsicht genommen wird, um die Kundenkorrespondenz nachvollziehen zu können. Die Privatnutzung der E-Mail-Accounts war zumindest der Erstklägerin gestattet worden; Regelungen dazu bestanden jedoch nicht.

Die Klägerinnen begehrten jeweils immateriellen Schadenersatz und beriefen sich dabei auf unzulässige Kontrollmaßnahmen sowie Grundrechts- und Datenschutzverletzungen.

Rechtliche Beurteilung des OGH

Der OGH befasste sich zunächst damit, ob es sich bei der Durchsicht des E-Mail-Accounts um eine Kontrollmaßnahme handelt, die eine Zustimmung eines allfällig eingerichteten Betriebsrates oder der Dienstnehmer erfordert hätte. Im Ergebnis wurde dies jedoch verneint, da die einmalige Einsichtnahme in ein E-Mail-Konto mangels ausreichender Intensität nicht als Kontrollmaßnahme anzusehen ist.

In einem weiteren Schritt befasste sich der OGH damit, ob die Einsichtnahme rechtmäßig im Sinne der DSGVO war. Sensible Daten iSd DSGVO konnten nicht erkannt werden, weshalb der Sachverhalt nach Art 6 DSGVO beurteilt wurde. Mangels anderer Rechtfertigungsgründe hatte der OGH zu überprüfen, ob ein berechtigtes Interesse nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten begründen kann. Dazu muss ein berechtigtes Interesse vorliegen, das durch die konkrete Verarbeitung erreicht werden kann, wobei die Interessen des Betroffenen nicht überwiegen. Ein Indiz für das Überwiegen der Interessen des Betroffenen liegt insbesondere dann vor, wenn dieser vernünftigerweise nicht mit einer derartigen Verarbeitung rechnen muss. Ein berechtigtes Interesse wurde gegenständlich darin erkannt, dass die Einsichtnahme zur Aufrechterhaltung des Unternehmensbetriebes erforderlich war. Insbesondere hatten die Klägerinnen, da auch sie in die Accounts ihrer Vorgänger Einsicht genommen hatten, mit der Einsichtnahme rechnen müssen. Überdies war für den Dienstgeber zunächst nicht erkennbar, dass eine Konversation zwischen Mitarbeiterinnen privat sein würde.

Weiters überwiegt das Interesse des Dienstgebers an der Information, der mit Personalangelegenheiten befassten Mitarbeiterin (seiner Gattin) und an der Kündigung des Dienstverhältnisses der Erstklägerin, die über das Unternehmen schimpfte und ihre Tätigkeit minimieren wollte, gegenüber dem Interesse der Erstklägerin an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses.

Die Klägerinnen stützten sich weiters allgemein zivilrechtlich auf die Verletzung ihres Privatbereiches und ihrer Geheimsphäre (§ 16 ABGB, Art 8 EMRK). Der OGH verwarf diese Argumentation jedoch mangels einer vorliegenden erheblichen Verletzung der Privatsphäre.

Fazit und Empfehlung

Die gegenständliche Entscheidung zeigt klar, dass der Dienstgeber nicht automatisch zur uneingeschränkten Einsichtnahme in betriebliche E-Mail-Accounts berechtigt ist, wenn diese auch privat genutzt werden. Unter bestimmten Umständen ist eine solche Einsichtnahme jedoch zulässig. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Einsichtnahme ist jeweils eine Interessenabwägung vorzunehmen, die insbesondere darauf abstellt,

  • ob der Dienstgeber ein (betriebliches) Interesse an der Einsichtnahme hat,
  • inwieweit er erkennen konnte, dass eine Konversation privat ist,
  • ob die Dienstnehmer mit einer Einsichtnahme rechnen können und
  • wie der Dienstgeber mit den Daten umgeht (Minimierungspflicht der Datenverarbeitung).

Generell empfiehl sich daher (spätestens) bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine Regelung mit den Dienstnehmern zu treffen, wie mit dem betrieblichen E‑Mail-Account umgegangen wird, wenn dieser auch privat genutzt werden durfte. Die bessere Alternative wäre jedoch grundsätzlich, die private Nutzung ausnahmslos zu verbieten.



Autor: Roland Heinrich
Autor: Anna Rupp