Gesetz vom 15. Mai 2025 Nr. 76: Eine neue Beteiligungschance für Arbeitnehmer

Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt am 26. Mai 2025 eröffnet das Gesetz vom 15. Mai 2025 Nr. 76 ein neues Kapitel im Verhältnis zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern. Unter dem Titel „Bestimmungen über die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Unternehmensführung, am Kapital und am Gewinn“ setzt das Gesetz endlich Artikel 46 der italienischen Verfassung um, der das Recht der Arbeitnehmer auf Mitwirkung an der Unternehmensführung anerkennt.

Auch wenn das Gesetz einen freiwilligen und nicht verpflichtenden Rahmen beibehält, schafft es ein kohärentes System zur Förderung der strukturierten Einbindung von Arbeitnehmern ins Unternehmensleben – mit steuerlichen Anreizen und regulatorischen Instrumenten.


Die vier Beteiligungsformen laut Gesetz

Das Gesetz definiert vier Hauptformen, in denen Unternehmen die Beteiligung der Arbeitnehmer gestalten können:

1. Mitbestimmung in der Unternehmensführung

In Unternehmen mit dualistischem System kann die Kollektivvertragsverhandlung die Anwesenheit von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat vorsehen. Bei traditionellem oder monistischem Modell kann die Satzung die Ernennung von Arbeitnehmervertretern im Verwaltungsrat oder im Kontrollausschuss ermöglichen.
Im Vergleich zu früheren Entwürfen wurde jedoch die Pflicht zur festen Quote (z. B. ein Fünftel) gestrichen – die Parteien müssen diese durch Verhandlung selbst festlegen.

2. Wirtschaftliche und finanzielle Beteiligung

Arbeitnehmer können am Unternehmensgewinn beteiligt werden oder an Programmen breiter Aktionärsbeteiligung teilnehmen. Das Gesetz sieht steuerliche Anreize vor, etwa:

  • Begünstigte Besteuerung von 10 % bis zu 5.000 € auf Gewinnausschüttungen an Arbeitnehmer (sofern diese mindestens 10 % des Gesamtgewinns ausmachen und auf Kollektivverträgen basieren);

  • Reduzierte Besteuerung von 50 % auf Dividenden bis zu 1.500 € jährlich für Aktien, die anstelle von Erfolgsprämien ausgegeben werden.

3. Organisatorische Beteiligung

Es wird die Einrichtung paritätischer Kommissionen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern gefördert, um Vorschläge zu Prozessen, Produkten, Dienstleistungen und Arbeitsorganisation zu erarbeiten. Für Unternehmen mit weniger als 35 Beschäftigten gelten vereinfachte Modalitäten zur Sicherstellung aktiver Beteiligung.

4. Konsultative Beteiligung

Das Gesetz stärkt die Rechte auf vorherige Information und Anhörung zu strategischen Unternehmensentscheidungen. Es besteht eine Pflicht zum Dialog mit den Arbeitnehmervertretern bei Entscheidungen, die die Zukunft des Unternehmens betreffen.


Die wichtigsten Neuerungen

✔️ Freiwillige Beteiligung

Der Gesetzgeber setzt nicht auf Zwang: Die Einführung partizipativer Modelle bleibt freiwillig und wird durch Anreize gefördert – statt durch Verpflichtungen.

✔️ Neudefinition des Kollektivvertrags

Das Gesetz erweitert die Anerkennung von Kollektivverträgen, die Beteiligung ermöglichen, auch auf jene, die von „vergleichsweise repräsentativen“ Gewerkschaften unterzeichnet wurden – nicht nur von Mehrheitsgewerkschaften. Das eröffnet Chancen für mehr Pluralismus, birgt aber auch das Risiko gewerkschaftlicher Zersplitterung.

✔️ Weiterbildung für beteiligte Arbeitnehmer

Teilnehmende Arbeitnehmer haben Anspruch auf mindestens 10 Stunden Weiterbildung pro Jahr. Die Finanzierung kann über Mittel wie den Fondo Nuove Competenze oder Interprofessionelle Fonds erfolgen.


Auswirkungen auf Unternehmen

  1. Strategische Chance zur Aufwertung des Humankapitals
    Internationale Studien zeigen, dass Unternehmen mit Partizipationsmodellen höhere Produktivität, Mitarbeiterbindung und Engagement erzielen. Das neue Gesetz ist eine Chance, Governance kollaborativer zu gestalten – durch Aktionärsprogramme, Dialoginstrumente und Gremienbeteiligung.

  2. Notwendigkeit klarer rechtlicher Strukturen
    Für die Einführung partizipativer Modelle ist ein klarer Rechtsrahmen nötig. Satzungen, interne Regelwerke, Nebenabreden und ergänzende Kollektivverträge müssen u. a. festlegen:

    • Verfahren zur Ernennung von Arbeitnehmervertretern

    • Aufgaben und Grenzen ihrer Rollen

    • Verhältnis zu gewerkschaftlichen Vertretungen

    • Umgang mit Vertraulichkeit und Interessenskonflikten

  3. Auswirkungen auf das interne Klima und die Arbeitsbeziehungen
    Neue Beteiligungsformen verändern interne Machtverhältnisse und erfordern Kompetenzen im Bereich Arbeitsbeziehungen, interner Kommunikation und Change Management.


Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Um die Chancen und Herausforderungen des Gesetzes 76/2025 optimal zu nutzen, sollten Unternehmen:

  • Eine interne Bestandsaufnahme der bestehenden Beteiligungspraktiken vornehmen

  • Die Vereinbarkeit mit Satzung und Governance-Struktur prüfen

  • Einen strukturierten Dialog mit Arbeitnehmervertretungen einleiten

  • Ein maßgeschneidertes Partizipationsmodell entwickeln, das zur Unternehmenskultur passt

  • Auf spezialisierte Rechtsberatung zurückgreifen, um Normkonformität und Unternehmensinteressen zu sichern


Fazit: Beteiligung als Innovationsmotor

Das Gesetz 76/2025 schreibt keine Veränderungen vor, bietet jedoch einen klaren und geförderten Rahmen für Unternehmen, die moderne Partizipationsmodelle umsetzen wollen. In einem europäischen Kontext, der mehr soziale Verantwortung und Wertschätzung des Humankapitals fordert, kann die Beteiligung der Arbeitnehmer zu einem echten Treiber für organisatorische Innovation, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit werden.

Für Unternehmen, die diese Chance nutzen möchten, ist jetzt der richtige Moment zum Handeln.