Das Ende des Geschäftsführeranstellungsvertrages

Hintergrund: Die bisherige Stellung der Geschäftsführer
Seit jeher ist in der italienischen Rechtswissenschaft umstritten, wie die Beziehung zwischen einem Geschäftsführer und der Gesellschaft dogmatisch einzuordnen ist: als Organ, als Angestellter oder eine Mischung aus beidem. Seit einem Urteil des Gemeinsamen Senats des Kassationsgerichtshofes aus dem Jahre 1994 (Urt. 10680/1994) ging die mehr oder weniger herrschende Meinung davon aus, dass die Geschäftsführer trotz ihrer formalen Stellung als Gesellschaftsorgan im Innenverhältnis als arbeitnehmerähnlich und mithin als abhängig Beschäftigte anzusehen waren (wenngleich selbstverständlich aufgrund der besonderen Stellung eine ganze Reihe erheblicher Unterschiede zu beachten war). Zwar kam (und kommt) es in der Praxis, anders als z.B. in Deutschland, fast nie zum Abschluss eines „echten“ Anstellungsvertrages, dennoch bestand weitgehende Einigkeit darüber, dass es sich der Sache nach um ein vertragliches Verhältnis handelt(e), so dass bspw. Streitigkeiten über die zustehenden Löhne in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallen.

Die kopernikanische Wende des Kassationsgerichtshofes: Das Urteil 1545/2017
Mit dem jüngst ergangenen Urteil Nr.1545/2017 vom 20.01.2017 hat der Gemeinsame Senat des Kassationsgerichtshofes nun eine deutliche Kehrtwende vollzogen, indem der Beziehung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft jedwede vertragliche Natur abgesprochen und der Geschäftsführer allein auf seine organschaftliche Stellung innerhalb der Gesellschaft zurückgeführt wurde.

Der Entscheidung des Gemeinsamen Senats lag die Frage zugrunde, ob die Pfändung des Geschäftsführerentgeltes denselben Beschränkungen unterliegt wie die Pfändung des normalen Arbeitslohns (Pfändung nur eines Fünftels des Nettolohns). Das Gericht hatte mithin zu entscheiden, ob das Geschäftsführeranstellungsverhältnis hinreichende Ähnlichkeiten mit einem „normalen“ abhängigen Beschäftigungsverhältnis aufweist, um die Anwendung der als Arbeitnehmerschutz gedachten Regelungen zu rechtfertigen.

Der Gemeinsame Senat kam dabei zu der Auffassung, dass es gerade das Wesen der Position des Geschäftsführers ist, sich NICHT in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Gesellschaft zu befinden, sondern vielmehr organschaftlich eine zentrale Rolle für das Bestehen und das Wesen der Gesellschaft einzunehmen; diese „Einheitlichkeit“ von Gesellschaft und Geschäftsführer erlaube es nicht, von dem Bestehen sich gegenüberstehender vertraglicher Positionen auszugehen. Dies wird insbesondere auch mit der im Zuge der umfassenden Gesellschaftsrechtsreform aus dem Jahre 2003 eingeführten Neuregelungen zur Stellung der Geschäftsführer begründet.

Auswirkungen
Während der direkte Anwendungsbereich des besprochenen Urteils sicherlich von großem Interesse für die etwaigen Gläubiger von Geschäftsführern sein dürfte, ist nach vorsichtiger Einschätzung davon auszugehen, dass die eigentliche Bedeutung des Urteils in verschiedenen anderen Bereichen liegen dürfte, wie z.B. die Möglichkeit einer Ernennung ohne spezifisches Geschäftsführergehalt, dem Ausschluss jedweder arbeitsrechtlicher Schutznormen im Zusammenhang mit der Beendigung der Ernennung auch ohne wichtigen Grund sowie der Möglichkeit zur Niederlegung vertraglicher Regelungen lediglich hinsichtlich akzessorischer Tätigkeiten, die nicht direkt Ausdruck der Organstellung sind. Zudem dürfte es Geschäftsführern nun zumindest deutlich schwerer fallen, nach Beendigung des Mandats die eigene Rolle und Funktion nachträglich klein zu reden und sämtliche einem „normalen“ (leitenden) Angestellten zustehenden arbeitsvertraglichen Vergünstigungen einzufordern, was bislang durchaus öfter vorkam.

Autoren: Florian Bünger & Valentina Monatanari