Ungarn: Herausforderungen des E-Zivilprozesses und der E-Insolvenzverfahren

Hintergrund
Den Anforderungen der technischen Entwicklung entsprechend ist der ungarische Gesetzgeber bestrebt die Elektronisierung der Sachbearbeitung in allen möglichen Bereichen der gerichtlichen Verfahren voran zu treiben. Für die Gerichtsverfahren im Gesellschaftsrecht sowie einige sonstigen Verfahren (z.B.: Verfahren in Stiftungs- und Verbandsangelegenheiten) wurde bereits seit mehreren Jahren das elektronische Gerichtsverfahren eingeführt.

Vor diesem Hintergrund hatte der Gesetzgeber schon länger geplant, den E-Prozess auch für normale Zivilverfahren einzuführen. Der E-Prozess wurde ab 01.01.2013 eingeführt, wobei die E-Kommunikation jedoch erst ab 01.07.2016 zwingend nach Maßgabe folgender Ausführungen anzuwenden ist. Diese Frist gilt auch bezüglich der Insolvenzverfahren (Liquidationsverfahren und Konkursverfahren), wobei der Antrag auf die Einleitung eines Konkursverfahrens aber schon ab 01.01.2015 elektronisch einzureichen ist.

Hauptregeln
Die E-Kommunikation ist in dem Zivilverfahren obligatorisch, falls die Partei

  • eine wirtschaftliche Organisation mit Sitz in Ungarn ist; oder
  • durch einen Rechtsbeistand vertreten ist; oder
  • es sich um eine Verwaltungsbehörde oder
  • die Staatsanwaltschaft handelt.

Falls die obigen Parteien die Kommunikation in nicht elektronischer Form vornehmen, wird diese Kommunikation als rechtlich unwirksam betrachtet.

Natürlichen Personen können sich entscheiden, ob sie die E-Kommunikation mit dem Gericht in Anspruch nehmen. Die natürlichen Personen haben diese Option auch im Rahmen von Insolvenzverfahren.

Im Rahmen der Prozessrechtsreform wurde ein IT-System für die E-Kommunikation im Rahmen des Zivilverfahrens aufgebaut, durch welches die Parteien dem Gericht ihre Schriftsätze nebst Anlagen zusenden können. Die Parteien können die Beschlüsse und andere gerichtlichen Dokumente auch durch dieses System herunterladen. Falls die Partei das gerichtliche Dokument innerhalb von fünf Arbeitstagen nach der Hochladung nicht herunterlädt, besteht die gesetzliche Vermutung, dass das Dokument der Partei an dem folgenden Arbeitstag zugestellt wurde.

Die Gebühren müssen innerhalb von drei Arbeitstagen nach der Einreichung der Klageschrift bezahlt werden (auf einem IT-Portal oder durch Überweisung). In dem Insolvenzverfahren müssen die Gebühren vor der Einreichung des Antrags bezahlt werden.

Eventuelle zukünftige Probleme
Etwaige Probleme bei der Umsetzung und Anwendung der Reform sind in dieser Phase noch nicht genau absehbar. Einige Probleme scheinen aber bereits heute deutlich auf.

Die Arbeitsstunden der Rechtsanwälte in den Zivilprozessen werden sich erhöhen, denn die Anwälte werden neben ihren bestehenden Aufgaben – unter anderem – den weiteren Verpflichtungen nachkommen müssen, wie z.B.: Digitalisierung der einzureichenden Dokumente in Papierform, Ausfüllen der elektronischen Formblätter, Hochladen der Dokumente in das informatische System etc..

Daneben wird das Verfahren bei Gericht verlängert, denn das Gericht muss die Dokumente zunächst digitalisieren. Dazu hat das Gericht eine Frist von fünf Arbeitstagen. Diese Zeit ist bezüglich der Berechnung der Fristen außer Acht zu lassen.

Fazit
Aufgrund der obigen Ausführungen kann festgehalten werden, dass der E-Zivilprozess und das E-Insolvenzverfahren viele Herausforderungen für die Parteien, deren Rechtsvertreter und auch das Gericht bedeuten werden. Der E-Prozess in der jetzigen Form kann die Arbeit der Anwälte und auch des Gerichts komplizierter und das Verfahren für die Parteien teurer machen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die in der Praxis auftauchenden Probleme nicht außer Acht lassen, und die erforderlichen Korrekturmaßnahmen treffen wird.

Autoren: Beatrix Fakó & Ildikó Angeli